Projekt Beschreibung

Mi. 23.07.2003, Tag 10 – „How many roads must a man waalk down?“

Die ganze Nacht über prasselte der Regen nur so auf das LT’sche Blechdach. Durch unsere schmale Ausguckfuge tröpfelte etwas Wasser in unser 6 Quadratmeter-Schlafzimmer. Aus diesem Grund machten wir die Luken dicht und schliefen – und zwar tief und fest. Keiner hatte einen Wecker gestellt und keiner hatte wirklichen Stress, bei den gelegentlichen Wach-Momenten, etwas vom Tag zu versäumen, denn es prasselte unaufhörlich.

Gassi meinte irgendwann mal: „Boah Mau, es is scho Zehne!“ Auch an diesem noch so verregneten Tag schön langsam Zeit sich aus der Horizontalen zu erheben und etwas zu frühstücken. Der Regen wurde wie bestellt zunehmend schwächer und so konnten wir schlussendlich sogar im Freien brunchen. Die blauen Lichtblicke liessen Gassi hoffen, nicht alle Meter Richtung Chur im Regen machen zu müssen.

Neben dem Frühstücken mal schnell ins Netz und – siehe da schönes Wetter allenthalben und was bei uns? Noch immer Wolkenfetzen in diesem unserem Plessur-Tal. Mit voranschreitender Zeit hoben sich jedoch die Schleier und gaben den Blick auf rundum schönes Wetter fei. Gegen 11.30 Uhr war Gassi dann marschbereit und nun stand die Frage „Abgleiten oder Abgehen“ nach Chur zur Debatte. Diesmal war es Gassi selbst, der für Marschieren votierte, da er meinte es sei zuviel Aufwand raufzugehen, zu warten und wieder das Risiko zu nehmen, irgendwo im Gehackten einlanden zu müssen. Da ich die Strasze noch vom Vortag her kannte und wusste, dass sie steiler als der Gleitwinkel des Schirmes abfiel und plädierte für fliegen. Mit einer Startzeit 13.00 von einem geeigneten Hang aus dürfte man zudem auch auf brauchbare Thermikansätze hoffen, wie die zunehmenden Cumuli am Berggrat andeuteten.

Offensichtlich durch das bisher Erlebte und die Aussagen eines ortsansässigen Gleitschirmfliegers („keine Ahnung, warum das Tal net geht, aber es is meisterns so“) etwas ernüchtert, meinte er lapidar: „Auf das Gehen kann man sich einstellen, auf das Absaufen beim Fliegen weniger…“, sagt’s und entschwand Richtung Tal.

Mit den Walkman-Stöpseln im Ohr gings dann die 24 km unspektakulär Richtung Chur, an dessen Zentrum und roter Meile vorbei weiter Richtung Westen – Ziel war eine gute Ausgangslage für den morgigen „echt gut“ prognostizierten Tag: Die Alp Mora (2037m) etwa in halber Höhe des Ringelspitz.

Bei der Erkundung nach den lokalen Flugmöglichkeiten traf ich auf Walo Besch von der Flugschule Swissraft. Wie sich bald herausstellte, war er das zu Hause gebliebene Wetterauge von Käschpi Henny, dem souverän Führenden des XAlps 2003. Ein absolut netter Typ, – auch vom Gehabe her ziemlich Käschpi-like – der mir kompetent alle Fragen die vor uns liegende Route betreffend beantworten konnte und mir darüberhinaus noch eine veraltete (aber sehr detaillierte) VFR-Karte schenkte. Am Tag zuvor hatte unser Mitstreiter Carlos Carsolio (Mex) ebenfalls bei ihm um Rat gefragt. Aus irgendeinem Grund scheint Carlos trotz der guten Streckenflug-Ausgangslage in Flims es doch vorgezogen zu haben, einfach weiterzumarschieren – wie fast das gesamte Teilnehmerfeld an diesem Tag. Dabei wäre mit dem starken, aber noch fliegbaren Ost-Talwind sicher viel gut zu machen gewesen… Glück für uns! 😉

Für den letzten Anstieg auf die Alp Mora würden uns mit „Basislager“ in Trin noch 2.5 bis 3 Stunden bleiben. Bei zeitigem Aufstehen absolut vertretbar. Auf dem Parkplatz neben einer Baufirma bereitete ich meinem Athleten und mir noch eine Portion Spaghetti und wir genossen den Sonnenuntergang am Rheintal. Wir wunderten uns noch über eine Wolkenstrasze, die sich mitten über dem Rheintal so spät noch entwickelte: „Dass das Tal am Abend noch so baut? – die von Norden herannahende nächste Front war doch noch gut 300 km entfernt. Geht es so gut talmittig oder ‚aus heiterem Himmel‘ doch wieder Anzeichen einer Labilisierung?“ Die Antworten sollte der nächste Tag geben…

Zapfenstreich: 22:00 Uhr.