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25.05.04: Schnifis -> Imst (über Hochjoch, Arlberg, Riffler, Tschirgant)

25.05.04: Schnifis -> Imst (über Hochjoch, Arlberg, Riffler, Tschirgant)

Der Wetterbericht hat’s angekündigt. Die Luftmasse sollte am 2. schönen Tag abtrocknen und ein Hoch über West-Europa NW-Winde mit 10-25 km/h in 3000m bringen. Am Vortag noch mit ein paar Mitstreitern vereinbart, dass wir an diesem Tag gute Chancen hätten, das Vorhaben Schnifis-Arlberg mit Erfolg zu krönen, trafen wir uns um 12.15 Uhr an der Talstation der Schnifner Bahn. Dort erwarteten mich dann schon einige Mitstreiter – jedoch mit langen Gesichtern: Die Bahn hatte heute kurzfristig Revision!
„Aller Strecken Anfang is nun mal ein Starthang“ – Milius von unserer Flugschule FCA war so nett und organisierte nen Truppentransporter, um die Heerschaaren nach Thermik lechzender Strecken-Cracks auf brauchbare Starthöhe zu bringen.
Was dann folgte sollte eines der unvergesslichsten Flugerlebnisse meiner bisherigen Fliegerkarriere sein…

Für jene, die mit der Geographie im Ländle bzw. Tirol nicht so vertraut sind, empfehle ich obige Karte in einem externen Fenster stets geöffnet zu lassen – darin sind die Flugroute, sowie die Foto-Spots eingetragen…

Die Eckdaten:
Start: 12.50 Uhr am Hensler (1330m)
Zwischenlandung: 17.10 Uhr Großgfall-Alpe vor Kapelle
Landung: 18.55 Uhr in Imst neben McDonald’s
Kilometerleistung: Luftlinie: 80.75 km, Freie Strecke nach OLC: 101.273; IGC-File (Flug in 3D nachvollziehen, am besten mit CompeGPS, SeeYou o.ä.)

und dazwischen über sechs Stunden reinstes Abenteuer…

Dadurch, dass wir erst relativ spät am Startplatz waren, hatten die meisten große Eile in die Luft zu kommen. Eva und ich liessen es etwas gemütlicher angehen und den Platzhirschen den Vortritt. Da sich keine zuverlässige Cumulus-Entwicklung über’m Schnifner Berg einstellte, wollten wir erst mal die Lage peilen…
Mit im 1. Pulk: Gröfler Tom, Büchele Franz, Hartmann Jürgen, Tiefenthaler Andrea, die alle an der von West angeströmten Alpila-Kante zuverlässig nach oben kamen – mit (mehr oder weniger) stabil geöffneten Schirmen *g*
Grund genug für Lemmerer Eva, Lampert Klaus und mich die Verfolgung aufzunehmen – mit ca. 10 Minuten Verspätung kurbelten auch wir ohne Probleme nach oben an die pulsierende Basis bei 2900m.

Bis auf Tom hatten’s alle ziemlich eilig, zum Hohen Fraßen zu kommen – „Der geht eh immer – auch tief…“. Unser Trio war eher Anhänger der konservativen These „Was ma hat, des hat ma“. Babe Eva hatte noch vor mir die Basishöhe erreicht und setzte gleich zur Querung an (Bild 1), die Klaus (Bild 2) und ich wenig später auch in Angriff nahmen…

Die tief gequert haben, mussten dem Hensler teilweise hohen Tribut zollen. Allesamt hatten viel Zeit vertan, um nicht abzusaufen. So hatte lediglich Tom Fraßen sowie Elsspitze bereits gemeistert. Jürgen war überhaupt zur Landung gezwungen worden, Andrea gab nicht auf und Franz konnte sich mühsam Richtung Grat emporschrauben.

Dadurch, dass ich im Halbspeed zum Fraßen bin, konnte ich höhen- und zeitgleich mit Eva um die Thermikgunst des Westhanges ringen. Es hat schon was, sich beinahe Stabi an Stabi mit seinem Babe Richtung Himmel empor zu schrauben (mal was anderes *g*) Von unserem Trio, hatte ich wohl am meisten Glück in den bockigen Bedingungen und trat mit etwa 200m über Grat und Westwindunterstützung als erster den Weg Richtung Elsspitze an – mit etwas Bauchweh, bin ich doch das letzte mal im Lee dort fast abgesoffen…
Diesmal erreichte ich mit kaum Sinken die Dolomiten-ähnliche Silhouette der Elsspitze und konnte dort einen Bart ausgraben, der mich auf 2400m beinahe endgültig dem Schwerefeld der Erde entschwinden ließ. Mittlerweile hatte ich alle mehr oder weniger weit hinter bzw. unter mir gelassen – und auch keinen Funk dabei…
…so traf ich die (katastrophale Fehl-?) Entscheidung rüber in’s Silbertal zu queren, weil man von dort ja Richtung Arlberg käme. Pah! Auf halbem Weg mitten über’m Tal realiserte ich dann meinen vermeintlichen Fehler und sah mich nach einer ruppigen Lee-Partie hinter’m Itonskopf schon im Silbertal einlanden und heimstoppen. Vernichtet waren die über 2900m vom Stierkopf und ich der Resignation nah: „Schlechtflieger, nehmt mich in Eure Runde auf! Heut hab ich mich in grandioser Manier für Euch qualifiziert…“

Doch dann, plötzlich, mitten über’m Silbertal (Bild 3) verstummt der demotivierende Stallalarm um wenige Momente als wohlklingendes Steigton-Piepen wiedergeboren zu werden. Aufgeben tut man ja bekanntlich nur einen Brief und so kurbelte ich mühsam Richtung Hochjoch-Nordflanke weiter. Dort fand ich dann einen ansprechenden Mix aus thermischen und dynamischen Aufwinden…

… der mich auf sage und schreibe über 3200m hochhiefte! Mann, endlich geschafft – und das Wolkenbild, das sich mittlerweile entwickelt hatte, verhieß Gutes: Hohe Basis (ca. 3300m) und schön kompakte Cumuli – halt ordentlich Nordwest-versetzt.

Und da sah ich ihn: den Arlberg! Schon Beinahe im Gleitwinkelbereich möchte man meinen.
Bild 4: Blick von Satteinser Alpe Richtung Ost auf die Maroiköpfe und den dahinter liegenden Arlberg.
Bild 5: Ein letzter Blick zurück Richtung WNW ins Klostertal (Dalaas) und Walgau (Bludenz)

Vorbei an den bizarr anmutenden Maroi-Seen (schauen aus wie grellblaue Frostschutz-Lachen) konnte ich dann in 2850 m den Arlbergpass bezwingen!
Bild 6: Blick Richtung Ost auf St. Christoph und das Stanzer Tal

Mein Saison-Ziel 2004 war damit eigentlich erreicht. Ich dankte Gott, meinem neuen Schirm Gin Zoom M und sowieso allen und jedem für das, dass es so ist, wie es ist *Höheneuphorie?* 😉
Bis mir dann ein „ForrestGump-ähnlicher“ Gedanke durch´s endorphin-verseuchte Hirn schoss: „Wenn ich schon mal bis hier hin gekommen bin, kann ich doch auch einfach weiterfliegen“ – und so tat ich´s auch!

Ich querte nördlich des Wirl in etwa 2100m den Arlbergpass und setzte schnurstracks zur Querung in Richtung der sonnenbeschienenen und windbegünstigten Nordwesthänge von Gampberg, Hochkarspitze und Hoher Riffler an.

Bild 7 zeigt die Wildebene und das Verwall (-Tal); Blickrichtung Süd-West

Ab dann war alles – flugtechnisch gesehen – weitgehend ein Kinderspiel. Bald bemerkte ich, dass die Nordflanken gut trugen und so drehte ich nur wirklich gute Bärte aus. Vmax: über 70 km/h! (mit halb gedrücktem Speedsystem)

Bild 8 – Blickrichtung Ost zeigt die Ostausläufer des Stanzer-Tals mit Landeck und Zams am Fuße des Krahberg (Inntal)

Bild 9 blickt zurück Richtung WNW auf St. Jakob am Arlberg

– beide Fotos vom Hohen Riffler aus geschossen.

Landeck im Inntal (Bild 10) war definitiv das nächste Etappenziel. Im Laufe meiner mittlerweile mehrstündigen Kilometerjagd hatte sich ein bestimmtes Gefühl in der Blasengegend breit gemacht, das mich an ein nur allzu menschliches Bedürfnis erinnerte.

Auf der Suche nach günstigen TopLanding-Spots erspähte ich ein kleines Kapellerl auf der Großgfallalpe! Menschenseelenallein…

Direkt vor der Kapelle auf 1920m setzte ich mein Fluggerät um 17.10 Uhr punktgenau in ein angenehm großes 20 x 20 m Plateau, entleerte, was voll war und nahm mir mal ne halbe Stunde Auszeit…

…Auszeit um zu genießen, Eindrücke revue passieren zu lassen und doch irgendwie den Kopf vollkommen frei von bewussten Gedanken zu haben. Nur der Moment zählt – schwer in Worte zu fassen…

Bild 11 zeigt die Kapelle, sowie den Großgfallkopf im Hintergrund (Blick Richtung SW)
Bild 12 den Blick von dort aus Richtung O auf Landeck, Zams und das Oberinntal – die kompakte Cumulus-Wolke ist jene des Tschirgant, die förmlich nach mir verlangte…sind ja nur gut 35 km!

Und an Tagen, wie diesem geht einem wirklich alles auf! Um 17.45 Uhr setzte ich meinen Flug Richtung Osten fort.

Die Thermik schien noch lange nicht zur Ruhe kommen zu wollen. So drehte ich um gut 18.00 Uhr noch immer einen dynamisch unterstützten/zerfetzten 3m-Bart am Krahberg (Venet) direkt neben der Seilbahn aus!

Mit 2600m Abflughöhe ging´s dann die letzten 12 km vom Gampelkopf aus in Richtung des für mich markantesten „Mugl“ in Inntal. Oft beim Vorbeifahren mit Auto oder ÖBB den haifischflossenartigen Grat des Tschirgant bewundernd, war ich nun tatsächlich auf bestem Weg ihn mit meinem „Flug-Zeug“ aus nächster Nähe zu inspizieren… (Bild 13)

…und er forderte Tribut. Kaum zu glauben, dass ein Berg um diese Zeit (etwa 18.30 Uhr) thermisch noch so aktiv sein konnte. Hinzu kam ein Mix der Talwindsysteme, der sich wahrlich gewaschen hatte. Aus dem Gurglbachtal schob nämlich starker NO-Wind gegen meine Flugrichtung, der mich zeitweise zur geostationären Klappboje werden ließ.

Ich liess mich jedoch nicht unterkriegen und kurbelte noch bis etwa 400m unter die Basis – in den bockigsten Bedingungen des ganzen Tages. Diese verhinderten leider auch ein besseres Foto vom Tschirgant, denn ich hatte wahrlich alle Hände voll zu tun, dass mein Gespann noch irgendwie seine volle Flügelform beibehielt (Bild 14) 🙁

Mit 2603m (siehe GPS-Log) hatte ich den zickigen Tschirgant um mehr als 270m überhöht und ich brach die Schaukelei zufrieden ab.

Wo landen? Ausgleiten und somit nochmal gut und gern 10 km schinden und in irgendeinem Kaff landen – oder in der „Metropole“ Imst? Von Imst erschien ein Heimkommen – sei es mit Bahn oder per Daumentaxi – zu dieser Tageszeit wesentlich sicherer.

Auf der Suche nach geeigneten Landespots stach mir dann der Mc Donald´s in’s Auge – Anlaufstelle vieler hungriger DURCHREISENDER!
Und so war es auch: 100m neben dem McDonald’s setzte ich um 18.55 Uhr meinen Gin Zoom gegen den Talwind in eine Wiese, verpackte das Teil gemütlich und spazierte rüber. Überglücklich.

Dort fragte ich in die Warteschlange, wer Richtung Arlberg fahre. Zwei Schweizer Snowboard-Fotografen boten mir spontan eine Mitfahrgelegenheit an. Ich orderte ein McChicken-Menü, philosophierte mit den Jungs über die Richtige Mischung von Adrenalin und Noradrenalin und saß wenig später schon in dem abgelutschten Volvo der mich Richtung Feldkich mitnahm… LIFE IS GREAT!

Die Streckenerfolge der Mitstreiter an diesem Tag:
Tom: STERZING (ITA) – Mann, unglaublich!!! Leider gingen seinem Top-Navigator die Akkus aus – Doku abgeschnitten :-(((
Franz und Andrea: Landeck (TIR)
Eva: Pettneu (TIR) – direkt zu ihrem „LA – Tino 1“ geflogen – auch Wahnsinnsleistung von meinem Mädel!
Klaus: St. Anton am Arlberg (TIR)
Jürgen hatte an diesem Tag etwas Pech und saß an Fraßen fest – Revanche folgte am 30.5., wo er bis nach Landeck flog

Detail am Rande: Franz attestierte mir bei meiner Fluganalyse allerdings die clevere *LOL* Entscheidung von mir, über das Hochjoch geflogen zu sein und so wertvolle Kilometer mitgenommen zu haben. Abschliessend also ein rundum wahrlich perfektes Flugabenteuer…

Hast Du bis hier hin durchgehalten? Dann würde sich mein Gästebuch extreeem über eine kleine Wortspende freuen! *ggg*

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